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Weihnachtshochwasser spült Kindheitserinnerungen hoch

Heese und Lauensteinplatz liegen in Urstromtälern von Aller und Fuhse. Das Jahrhunderthochwasser vor Jahresfrist hat uns auf drastische Weise daran erinnert und Grüße aus der Eiszeit geschickt. Auch als deutliche Warnung: Mensch, wenn du so weitermachst, verspielst du dein

Anders als im Ahrtal oder vor wenigen Wochen in Spanien forderte die feuchte Bescherung am zweiten Weihnachtstag 2023 in Celle keine Menschenleben. Immerhin: Gut dreihundert Keller unserer Mieterinnen und Mieter sind dabei – pardon – abgesoffen. Und noch immer sind die Spuren nicht restlos beseitigt.


Zwischen all den feuchten Zivilisationsabfällen ging Petra K. in ihrem Keller auf Schatzsuche. Unter den sorgsam gehüteten Nachlässen ihrer Mutter fand sie eine Sonderbeilage der CZ vom 10. Juli 1965. Anlass bot damals die Einweihung des Hochhauses am Lauensteinplatz mit der neuen Sparkassen-Hauptzweigstelle. Beim Blättern in der gut erhaltenen Zeitung wurden vielfältige Kindheits- und Jugenderinnerungen wach. An das „Neucelle“, wie man das im Wirtschaftswunder-Jahrzehnt förmlich aus dem Boden gestampfte Heesegebiet mit dem neuen Stadtteilzentrum Lauensteinplatz stolz nannte. Endlich ein Ende der Wohnungsnot nach Flucht und Vertreibung.


Geradezu exemplarisch für die neuen Bewohner das Schicksal von Familie Siodmok: Petra Kluges Mutter stammte aus Pommern und landete im Flüchtlingstreck in Walsrode. Ihr Vater kam aus Schlesien und fand als Polizist eine Stelle in Gifhorn. Als die neue Polizeiwache am Lauensteinplatz (im heutigen WICHMANN-Büro) fertig ist, wird er nach Celle versetzt. Das junge Paar bekommt eine Dienstwohnung direkt vor der Haustür in der Lauensteinstraße. Im Familienalbum gibt es ein Schlüsselbild: Die stolze Mutter steht mit dem Säugling Petra ganz oben auf dem Balkon und blickt auf den „Platz“. Noch ist alles nagelneu. Oft kommt der Vater mit der „Grünen Minna“um die Ecke, dem Polizei-Dienstwagen Marke VW-Käfer. Gleich gegenüber ist der Hansa-Krug. Als sie größer wird, schaut Petra den Hochzeitsgesellschaften zu, die hier ausgelassen feiern. Und träumt insgeheim davon, dort später einmal als Braut selbst im Mittelpunkt zu stehen. Ganz nebenbei: Hat noch jemand Erinnerungsfotos an die gute Zeit des Hansa-Kruges und kann dazu Geschichten erzählen im nächsten HEINRICH? Her damit!





Petras unbeschwerte, aber von den Eltern immer streng behütete Kindheit spielt sich im unmittelbaren Umfeld ab – ein Paradies für junge Kinder. WICHMANN hat in den Höfen tolle Spielgeräte installiert, von denen einige bis heute erhalten blieben. Es gibt jede Menge Nachbarskinder und keine sozialen Schranken. Alle haben gleich wenig, alle müssen im Haushalt mit anpacken: Wäsche zusammenlegen, Treppe fegen, die ersten Einkäufe machen. Am Lauensteinplatz fehlt nichts zum täglichen Leben. Kaufmann Lott, bald VIVO-Beinlich mit einem modernen Supermarkt. Drogerie Blumenberg, Apotheke, Blumen-Pöhland, Friseur Grüssner, Uhren-Tiemann, Textil-Eckert, Schreibwaren-Grundmann, Reinigung Rürup etwa. Auch für Petras Familie bleibt die Celler Innenstadt lange Luxus-Revier. Die Haushaltskasse lässt keine Shoppingvergnügen zu. Allenfalls Schaufensterbummel zum Nase plattdrücken bei Karstadt und den Spielzeugläden.





Dann kommt für Petra K. bald die Sturm- und Drangphase, die Zeit des Abnabelns. Woodstock, Flower Power, der gesellschaftliche Aufbruch in den wilden Sechzigern. Sie spart auf einen kultigen Mini-Cooper und fährt damit zu den legendären Festivals. Die Musikszene hat´s ihr angetan. Mit ihrem Partner baut sie in Unterlüß ein erfolgreiches Unternehmen der Unterhaltungsbranche auf. Vierzig Jahre blickt sie nun vom Lüßwald auf den Lauensteinplatz und das Elternhaus. Als ihr Vater stirbt, braucht die Mutter Unterstützung. Und so schließt sich für Petra ein Kreis. Vor zehn Jahren zieht es sie zurück nach Celle unter Wichmanns Dächer am Lauensteinplatz. Auch unter veränderten Bedingungen ist es ein ideales Lebensumfeld mit kurzen Wegen und lebendiger Nachbarschaft.


Wenn sie vor Weihnachten aus dem Fenster schaut auf ihre vertraute Umgebung, was wünscht sie sich? Mal wieder einen richtig schönen Tannenbaum mitten auf dem „Platz“! Und deutlich weniger Müll im öffentlichen Raum, besonders an den chaotischen Containerplätzen. Über allem steht für sie aber etwas Elementares: „Ich würde auf alles verzichten für den Erhalt des Friedens in diesen aufgewühlten Zeiten!“


Heute 1965


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